„Kluft zwischen armen und reichen Kommunen darf nicht weiter wachsen“

Der kommunalen Finanzreport der Bertelsmann Stiftung, der soeben erschienen ist, kommt zu einem bitteren Ergebnis: Viele Kommunen haben nicht die Mittel, um ihre Zukunftsaufgaben zu meistern. Deshalb müssen Bund und Länder den finanzschwachen Kommunen umgehend helfen, fordert „Für die Würde unserer Städte“ – und macht konkrete Vorschläge, wie dies gelingen kann.

Das Bild von der Finanzkraft der Städte und Gemeinden ist verzerrt und zugleich Ausdruck großer Ungerechtigkeit: Auf dem Papier haben die Kommunen im vergangenen Jahr einen Überschuss erwirtschaftet. Zugleich lagen in sechs der 13 Flächenländer die Ausgaben der Städte höher als die Einnahmen – das ergibt der neue kommunale Finanzreport der Bertelsmann Stiftung. „Wenn man eine Hand auf der Herdplatte hat und eine im Eisfach, geht es einem in der Mitte nicht gut“, sagt Christoph Gerbersmann, Sprecher des Aktionsbündnisses „Für die Würde unserer Städte“, in dem sich die finanzschwachen Kommunen Deutschlands zusammengeschlossen haben.

Gerbersmann formuliert angesichts der neuen Studie eine klare Forderung: „Die Kluft zwischen armen und reichen Kommunen darf nicht weiter wachsen. Den schwachen muss geholfen werden, damit die Menschen vor Ort nicht das Vertrauen in den Staat verlieren, und damit alle Städte und Gemeinden Zukunftsthemen wie Klimaschutz, Bildung und Digitalisierung anpacken können.“

Die Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt an weiteren Stellen, wie groß das Ungleichgewicht zwischen wohlhabenden Kommunen und strukturschwachen Regionen ist: So lagen beispielsweise die Investitionen der Städte und Gemeinden zwar bei 41 Milliarden Euro, das Schwergewicht bildeten aber auch dabei süddeutsche Kommunen. Insgesamt summiert der Investitionsstau auf die vierfache Summe (166 Milliarden Euro).

Die Praxis in den finanzschwachen Kommunen bestätigt diese Daten. Die Betroffenen haben über viele Jahre Investitionen zurückgestellt, um ihre Pflichtaufgaben erfüllen zu können und Schulden abzubauen. Nun sind sie an einem Punkt, an dem öffentliches Eigentum ernsthaft in Gefahr gerät. Sie können trotz aller Anstrengungen allerdings weiterhin wenig tun, weil ihnen die Inflation, steigende Sozialausgaben sowie viel höhere Energie- und Baukosten neue Lücken in den Etats beschert. Und die Zukunftsthemen sind dabei noch gar mitgerechnet.

Der Bund und die Länder haben in den schwierigen Phasen der vergangenen Jahre geholfen, aber sie haben die strukturellen Probleme nicht gelöst: Finanzschwache Kommunen haben weit überdurchschnittliche Sozialausgaben und unterdurchschnittliche Steuereinnahmen. Trotzdem delegieren Bund und Länder weiter Aufgaben an die Städte und Gemeinden, ohne für den passenden finanziellen Ausgleich zu sorgen. Die explodierenden Kosten in der Jugendhilfe, der verpflichtende OGS-Ausbau und die Unterbringung Geflüchteter sind drei Beispiele dafür. Und noch einmal drastisch verschlechtert wird die Lage durch das Wachstumschancengesetz, das Steuerausfälle in Höhe von mindestens zwei Milliarden Euro pro Jahr für die Kommunen verursacht.

Deshalb schlägt „Für die Würde unserer Städte“ vier Schritte vor, mit denen Bund und Länder wirkungsvoll die Kluft zwischen armen und reichen Kommunen verringern können:

  1. Eine angemessene Finanzausstattung der Kommunen, so dass sie die Aufgaben vor Ort aus eigener Kraft stemmen können. Wichtige Schritte auf diesem Weg wären die Übernahme von Sozialkosten, zum Beispiel in der Jugendhilfe.
  2. Eine Lösung der Altschulden-Frage: Bund und Länder tragen einen Großteil der Verantwortung für die hohen Kreditstände und müssen entsprechend dieser Verantwortung einen wichtigen Teil zur Lösung beitragen. Viele Länder haben bereits Regelungen für ihre Kommunen gefunden, Nordrhein-Westfalen muss noch liefern. Zugleich sollte der Bund nicht auf NRW warten, sondern seinen zugesicherten Beitrag schon leisten – mindestens in den Ländern, in denen es eine Lösung gibt.
  3. Die Förderpolitik muss reformiert werden. Viele der finanzschwachen Kommunen können die aufwändigen Antragsverfahren nicht bewältigen, den geforderten Eigenanteil (10 oder 20 Prozent) nicht aufbringen oder scheitern an den personellen Folgekosten. Deshalb ergibt sich auch bei den Förderungen eine Kluft: Die wohlhabenden Kommunen können an Programmen teilnehmen und diejenigen, die die Unterstützung wirklich benötigen, nicht. Würden Bund und Länder stattdessen auf pauschale Mittel setzen und auf den Eigenanteil verzichten, käme das Geld endlich dort an, wo es gebraucht wird. Der Vorteil für alle Ebenen: Hochqualifizierte Mitarbeitende müssen sich nicht mehr um Anträge und das Kontrollieren von Anträgen kümmern, sondern können angesichts des Fachkräftemangels in anderen Bereichen wirken.
  4. Noch einmal verschärft wird die Situation vieler ärmerer Kommunen durch Steueroasen in Deutschland. Viele finanzschwache Städte mussten aufgrund ihrer Haushaltslage die Hebesätze weit über den Schnitt anheben. Sie sind damit an sich schon kaum konkurrenzfähig, haben sie zudem Nachbarkommunen mit weit unterdurchschnittlichen Hebesätzen, geraten sie noch viel stärker unter Druck. Deshalb müssen Steueroasen durch den Gesetzgeber unattraktiv gemacht werden.